13.07.2021
Fußverkehrsförderung und mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer
Mengen 13.07.2021 / Die Stadt Mengen wurde 2021 als eine von zehn Kommunen in Baden-Württemberg zum Fußverkehrs-Check ausgewählt. Die Maßnahme wird vom Ministerium für Verkehr gefördert, welches das Fachbüro Planersocietät mit der Durchführung beauftragt hat. Der Fußverkehrs-Check ist also kostenfrei für die Stadt Mengen. An den Workshops und Begehungen wurden Bürger*innen aus verschiedenen Interessengruppen (Schüler, Lehrer, Geh- und Sehbehinderte, Fahrradbeauftragte, Jugendliche) sowie Vertreter des Gemeinderats und der Stadtverwaltung beteiligt. Von der Teilnahme am Fußverkehrs-Check erhofft die sich Stadt neue Erkenntnisse, Anregungen und Hinweise zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und Reduktion des motorisierten Individualverkehrs zugunsten von mehr Fahrrad- und Fußverkehr im Stadtgebiet.
Die Teilnehmer*innen vertraten die gesamte Mengener Bevölkerung. Sie analysierten beim Auftakt-Workshop zunächst die Schwachstellen im Fußverkehr und definierten Ansatzpunkte für Verbesserungen. Nach einer separaten Schülerbegehung fand eine zweite Begehung mit den oben genannten Interessenvertretern statt. Bei diesen Begehungen zu Fuß durch Mengen wurden die ermittelten Mängel vor Ort angesehen und mögliche Lösungen diskutiert. Bei der Schülerbegehung wurde das Augenmerk vor allem auf die Verbesserung der Schulwegesicherheit gelegt, mit dem Ziel die „Elterntaxis“ zu reduzieren. Beim Abschlussworkshop wurden auf Basis der Diskussions-Ergebnisse und aus den Begehungen konkrete Maßnahmenvorschläge zur Fußverkehrsförderung und Behebung von Schwachstellen in kurz-, mittel- und langfristig umzusetzende Maßnahmen eingestuft. Ebenso wurden Daueraufgaben definiert.
Bedarf an sicheren Querungsmöglichkeiten
Auch wenn die Sicherheit der Mengener Schulwege laut einer Umfrage unter Eltern und Schülern grundsätzlich als gut eingestuft wird, gibt es Verbesserungsbedarf u. a. hinsichtlich Sichtbehinderungen und sicheren Querungsmöglichkeiten. Dies ist u. a. im Bereich der Ablachschule und am Zebrastreifen in der Zeppelinstraße der Fall. Dieser sollte laut Verkehrsplaner um einige Meter verlegt werden. Der weitere Weg zum Schulcampus am Sonnenluger sollte farblich markiert werden, damit die Schüler*innen nicht direkt auf der Straße laufen müssen und über den Gehweg zum Zebrastreifen geleitet werden. Zusätzliche Maßnahmen sind z. B. Piktogramme.
Die Querungsproblematik wurde auch insbesondere beim Kreuzplatz (Überweg von der Volksbank zur Apotheke/„Ärztehaus“), an der Kreuzung Mittlere Straße / Hauptstraße sowie am Stadtgrabenweg so gesehen. Kurzfristige Maßnahmen für alle genannten Querungsbereiche könnten z. B. farbliche Markierungen und Piktogramme sein. Dies würde nicht nur zu einer erhöhten Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer beitragen, sondern auch die Bündelung der Fußgänger an der Querungsstelle fördern. An den innerstädtischen Kreisverkehren gibt es teilweise schon Zebrastreifen, die entsprechende Beschilderung und Beleuchtung fehlen jedoch noch. Langfristig könnte ein Fußverkehrsnetz mit Hauptfußgängerachsen erstellt werden.
Barrierefreiheit für alle „schwachen“ Verkehrsteilnehmer
Hinsichtlich der Barrierefreiheit im Stadtgebiet gab es einige Verbesserungsvorschläge. Neben kurzfristig durchzuführenden Absenkungen von hohen Bordsteinen* auf stark frequentierten Wegen und die Ausbesserung von Oberflächenschäden (z.B. Stadtgraben) kommen mittel- bis langfristig auch Kontrastuntergründe und die Neuanlage von verbreiterten Fußwegen in Frage, dies sollte laut einhelliger Meinung bei künftigen Stadt-Planungen berücksichtigt werden. In dem Zusammenhang bemängelten die Workshop-Teilnehmer*innen, dass der Grünschnitt von Privatpersonen oft nicht rechtzeitig durchgeführt wird, was zu verengten Gehwegen und Sichtbehinderungen führt. Die Stadt bittet daher alle Grundbesitzer, den Grünschnitt ordnungsgemäß zu erledigen – die Stadt arbeitet an den öffentlichen Flächen auch daran.
*Zu der Absenkung von Bordsteinen gab es noch eine interessante Anmerkung der bei der Begehung anwesenden Rollstuhlfahrerin. Sie hat viele interessante Punkte in die Diskussion mit eingebracht und den anderen Teilnehmern die Augen für so manche Problematiken geöffnet. Unter anderem hat sie betont, dass die nachträgliche Absenkung / Abflachung von Bordsteinen teilweise keine Erleichterung, sondern eine Gefahr für Rollstuhlfahrer darstellt. Grund ist der entstehende Kipp-Winkel, der durch das eigene Körpergewicht nicht aufgefangen werden kann, sprich auf der Schräge kippt der Stuhl sehr leicht nach hinten und die Person überschlägt sich. In diesen Fällen ist ein „normaler“ Randstein besser, den man, wie z. B. auch bei Kinderwagen, durch Umfahren oder kontrolliertes „sich herunterkippen lassen“ bewältigen kann.“
Aufenthaltsqualität und Wegweisung optimieren
Ein weiterer Punkt war die mittel- bis langfristige Schaffung von Aufenthaltsplätzen im Stadtgebiet nach Vorbild des Schillergartens. Dies können z. B. begrünte Sitzmöglichkeiten zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt sein. Farbige Bodenmarkierungen und Schilder mit Entfernungsangaben könnten zusätzlich auf diese Plätze und auch z. B. auf Spielplätze hinweisen. Nachgedacht werden sollte auch über die vermehrte Schaffung von Begegnungszonen, z. B. Ausweisung von Spielstraßen.
Vorstellung im Gemeinderat
Aus den gewonnenen Erkenntnissen und Vorschlägen der Interessenvertreter*innen wird das Fachbüro Planersocietät nun einen Abschlussbericht erstellen, der dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung zur Prüfung und Bewertung der Einzel-Maßnahmen vorgelegt wird. Anschließend könnten einige der Verbesserungsvorschläge relativ zeitnah umgesetzt werden. Bürgermeister Stefan Bubeck gab in seinen Schlussworten jedoch zu bedenken, dass die Stadtverwaltung in den meisten Fällen nicht selbst entscheiden könne, sondern vielmehr von anderen Behörden abhängig sei. Für viele der Anregungen sei die Verkehrsbehörde und die Polizei zuständig. Der Vorschlag diese Zuständigkeit zu übernehmen, um selbst entscheiden zu können, wurde vor einigen Jahren vom Gemeinderat abgelehnt. Als Beispiel nannte er den Zebrastreifen in der Kastellstraße in Ennetach. Die Forderung der Stadtverwaltung auf Höhe des Kindergartens St. Christopheros einen Zebrastreifen einzurichten, wurde von der Verkehrsbehörde mehrfach abgelehnt, weil die Voraussetzungen (mind. 50 Fußgängerquerungen und mindestens 200 Fahrzeuge/Werktagsstunde von 8 – 18 Uhr) nicht gegeben waren. Erst durch eine Gesetzesänderung wurde es im vergangenen Jahr nach sieben Jahren endlich möglich, den Zebrastreifen einzurichten.
Er wies auch auf gegenläufige Interessen bei der Barrierefreiheit hin. Während Gehbehinderte möglichst flache Übergänge benötigen, sind Sehbehinderte wiederum auf die Kanten als Orientierungshilfen angewiesen. Auch die kritisierte Rinne entlang der Hauptstraße ist zwingend notwendig, da sie aufgrund des geringen Längsgefälles der Hauptstraße für die Entwässerung des Niederschlagswassers benötigt wird. Ansonsten würde den Ladengeschäften und Anwohnern bei Regen die Keller voll laufen. Insofern seien viele bauliche Maßnahmen auch Kompromisslösungen.
Die Stadtverwaltung arbeitet jedoch weiterhin stetig an der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Nicht zuletzt deshalb ist derzeit ein Mobilitätskonzept in Bearbeitung, dass neben den Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehr auch die Mobilität der künftigen Jahrzehnte (Ausbau E-Mobilität, Vernetzung Verkehre, Ausbau ÖPNV, Nahverkehrsabgabe Baden-Württemberg etc.) im Focus hat. Die Umsetzung der Maßnahmen kann jedoch nur nach und nach erfolgen, da die Planungsprozesse und Genehmigungsverfahren oft Monate oder sogar Jahre beanspruchen.
Nicht alle Probleme/Missstände lassen sich jedoch mit Verkehrsregeln oder baulich lösen. Es helfen alle Anstrengungen nichts, wenn sich die Verkehrsteilnehmer nicht an die Regeln halten. Wissenschaftliche Studien belegen, dass z.B. 90 % aller Verkehrsunfälle auf Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer (Missachtung von Verkehrsregeln, zu schnelles Fahren, Fahren unter Alkohol/Drogen etc.) zurückzuführen sind. Insofern appellierte Bürgermeister Stefan Bubeck an die Vernunft und die gegenseitige Rücksichtnahme ALLER Verkehrsteilnehmer. Er dankte allen Beteiligten für ihr Engagement und die tollen Ideen und Lösungsvorschläge, die zur erfolgreichen Durchführung des Fußverkehrs-Checks in Mengen beigetragen haben! Nur mit direkter Beteiligung der Menschen im Ort ist ein optimales Ergebnis und eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen möglich.
Die Fußverkehrs-Checks werden vom Land Baden-Württemberg seit 2015 durchgeführt. Bislang haben bereits 52 Städte und Gemeinden daran teilgenommen. Dabei haben sich die Fußverkehrs-Checks als sinnvolles Instrument erwiesen, um in Kommunen für die Belange des Fußverkehrs zu sensibilisieren. Ziel der Fußverkehrs-Checks ist es, den Fußverkehr in Politik und Verwaltung wieder als eigenständige und wichtige Mobilitätsform ins Bewusstsein zu rücken. Weitere Infos gibt es auf den Seiten des Ministeriums für Verkehr https://vm.baden-wuerttemberg.de/de/mobilitaet-verkehr/fussverkehr/fussverkehrs-checks/
Fotos: Auftakt- und Abschlussworkshop des Fußverkehrs-Check und Begehungen (Stadt Mengen)